Bericht

X. Deutsch-Polnisches Compliance Forum

4. Dezember 2019

Am 4. Dezember 2019 fand zum erneuten Male die alljährliche Tagung des Viadrina Compliance Centers und des Instytut Compliance an der Warschauer Wertpapierbörse statt. Die Diskussionen wurden bei der zehnten und damit der Jubiläumsausgabe des Deutsch-Polnischen Compliance Forums unter dem Leitthema „Methoden wirksamer Steuerung von Compliance-Risiken in der EU“ geführt.

Der Tag begann mit den Begrüßungsworten langjähriger Unterstützer des Deutsch-Polnischen Forums: Monika Gorgoń, LL.M., Leiterin der Abteilung Compliance und Risiko an der Warschauer Wertpapierbörse, prof. dr hab Tadeusz Wallas, Prorektor der Adam-Mickiewicz-Universität Posen für das Collegium Polonicum Słubice, Dr. Jan Schürmann, Deutsch-Polnische Juristenvereinigung sowie Botschaftsrat Holger Krämer, der die Rolle des Compliance Forums als Ideenbörse nicht nur hinsichtlich der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen, aber auch für den zivilgesellschaftlichen Austausch, betonte. Darüber hinaus hieß auch Łukasz Kolano, Direktor bei Global Compact Network Polen, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer herzlich willkommen.

Menschen und ihre Werte vs. CMS und dessen Ziele

Moderiert durch dr Marcin Ciemiński, Partner bei Clifford Chance, wurde das erste Panel mit der erfreulichen Feststellung eingeleitet, dass Unternehmern in ihrer Zielsetzung zunehmend die Rolle von Compliance wahr- und ernstnehmen. Die Hinwendung zum Faktor „Mensch“ neben Gewinnerzielungsabsichten sei dem zunehmenden Druck von Seiten der Zivilgesellschaft als auch den Unternehmensinhabern, Gesellschaftern und Aktionären, zuzuschreiben. Unabdingbar für eine nachhaltige Wertekultur im Unternehmen, so waren sich Alexander Ghazvinian, Chief Complaice Officer SICPA, und Prof. Dr. Stephan Grüninger, Forschungsdirektor Konstanz Institut für Corporate Governance, einig, sei die Integrität auf Führungsebene und eine damit verbundene Wertekommunikation durch den „tone from the top“ – Werte zu leben sei Führungsaufgabe. Von einem Denken in Extremen sei jedoch auch von der Gegenrichtung abzusehen, so prof dr hab Jacek Sójka, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Adam-Mickiewicz-Universität Posen – primäres Ziel für ein Unternehmen solle mithin die Generierung von Gewinnen sein, gleichwohl es die Aufgabe eines CMS sein sollte moralische Werte ins Verhältnis zu den Leistungswerten eines Unternehmens zu setzen.

„10 Jahre FORUM“ Eröffnungsvortrag

Im Namen der Veranstalter, begrüßte Prof. Dr. Bartosz Makowicz, Viadrina Compliance Center, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), alle Anwesenden und leitete in seinem Eröffnungsvortrag durch die Entstehung sowie Entwicklung des Forums im vergangenen Jahrzehnt. Rückblickend ist vor allem ein Fortschritt nicht nur hinsichtlich des Verständnisses von Compliance und Compliance-Management in der Privatwirtschaft festzustellen, aber zugleich würden die Vorteile durch die Implementierung von Compliance-Lösungen deutlicher. Die vergangenen Jahre prägten zudem die Entwicklung von nationalen als auch internationalen Standards (ISO). Daran anschließend folgt schon Anfang des Jahres 2020 die Veröffentlichung des ersten polnischen CMS-Standards durch den Fachbeirat der Fachzeitschrift „Compliance“.

Compliance Defense in der Praxis und die Bedeutung einer Compliance-Zertifizierung

Das zweite Panel moderierte Dr. Georg Jaster, Senior Partner bei Tigges Rechtsanwälte, der auf die Themenaktualität der Zertifizierung aufgrund künftiger gesetzgeberischer Projekte sowohl in Polen als auch in Deutschland mit dem Referentenentwurf zum Verbandsanktionsgesetz verwies. Harald Hess LL.M, Partner bei Meister Rechtsanwälte, sehe den größten Vorteil einer Zertifizierung von CMS in der Klarheit für Unternehmen darüber, in welcher Form sich ein CMS lohnt. Marcin Klimczak, Leiter des Teams für Ermittlungsdienste und Betrugsrisikomanagement bei PwC, verwies daraufhin auf die Risiken, die die Auslagerung der Verantwortung bei der Ausgestaltung eines CMS durch eine Zertifizierung mit sich bringen würde, gleichwohl er sich unter dem Aspekt der Freiwilligkeit für eine Zertifizierung aussprach.  Daraufhin ergänzte Marcin Góral, Chief Compliance Officer PZU S.A., dass trotz Zertifizierung die Ausgestaltung eines CMS insoweit flexibel bleiben müsse, dass Unternehmen in der Lage sein könnten auf Trends zu reagieren – grundsätzlich spreche jedoch wenig gegen eine Zertifizierung auf Grundlage der etablierten best practice. Walter Mäder, Staatsanwalt a.D., Schweizerische Generalstaatsanwaltschaft, bot anschließend einen Einblick in die Schweizer Praxis der Anrechnung von CMS – Zumessungskriterien seien unter anderem die Schwere der Tat, die Häufigkeit von Taten, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sowie die Schadenshöhe.

Keynote: Compliance im Wettbewerb – ein Zielkonflikt für die Unternehmen?

Edda Müller, ehem. Vorsitzende, Transparency International Deutschland, stellte in ihren umfangreichen Vortrag fünf Thesen auf, aus denen hervorging, dass Compliance im Wettbewerb sich bisher dem schlechten Ruf der Wettbewerbsregulierung stellen müsse und damit leider auf Akzeptanzprobleme stieße. Darüber hinaus werde moralisches Verhalten im globalen Wettbewerb nicht belohnt und verantwortungsbewusste Unternehmen oftmals benachteiligt.

Folglich müsse es das Ziel sein Compliance und CMS als Instrument einer nachhaltigen und klugen Geschäftspolitik zu kommunizieren, welches gerade nicht von Außen reguliere, aber einen Mehrwert aus dem Unternehmen für das Unternehmen schaffe.

Compliance-Risikomanagement – die EU als neuer Compliance Super-Regulator?

Im Hinblick auf das Thema im dritten Panel diskutierten die Teilnehmer unter der Moderation von Prof. Dr. Klaus Köhler, LL.M., Partner bei Meister Rechtsanwälte, ob eine verstärkte Regulierung nicht eine notwendige Folge der Realisierung eines gemeinsamen Binnenmarktes in der EU sei. Diese sei grundsätzlich als positiv zu beurteilen, da sie es ermöglichen werde gemeinsame Qualitäts-Standards zu schaffen und für einen gleichmäßigen Fortschritt im Binnenmarkt zu sorgen. Dem schloss sich auch Prof. Dr. Peter Fissenwert, Partner bei Buse Heberer Fromm, an, der einen gemeinsamen Regulierungsansatz der EU besonders hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit dieser auf dem globalen Markt begrüße.

Andrzej Bajor, Compliance Officer bei Boehringer Ingelheim Polen, verwies vor dem Hintergrund der Whistleblower-RL auf die Notwendigkeit einer EU-Regulierung in Hinblick auf kulturelle Unterschiede und Akzeptanzprobleme von Compliance-Maßnahmen am Beispiel des Hinweisgebersystems.  Dem fügte dr Anna Partyka-Opiela, Partner bei DZP, hinzu, dass vor allem in Polen der Hinweisgeberbegriff vor dem sozialistischen/geschichtlichen Hintergrund oftmals noch negativ behaftet sei. Auch wenn, sich bei jüngeren Generationen diesbezüglich ein Wandel feststellen ließe und Feedbacksysteme zunehmend auf Akzeptanz stießen, dürfe die Kommunikation der Vorteile von Compliance-Maßnahmen im Unternehmen nicht vernachlässigt werden. Frau dr Partyka-Opiela kritisierte dies auch hinsichtlich der Regulierungen der EU – die Vorteile der Regulierungen werden vor dem Druck der Umsetzung von Leitlinien, zuletzt bei der DSGVO – überschattet. Unternehmen würden sich bei der Umsetzung häufig alleingelassen fühlen. Zudem führen nachträgliche Kontrollen ohne die Vorgabe gewisser Benchmarks zu Unsicherheit. Wünschenswert sei zudem die Abwendung vom Sanktionsansatz zu der Einführung eines Belohnungssystems.

Moritz Homann, EQS, verwies abschließend darauf, dass die nationale Umsetzung von EU-Regulierungen die Mitgliedsstaaten häufig besonders im Rahmen der Nachverfolgung vor eine Ressourcenknappheit bei den öffentlichen Ämtern stelle.

Compliance 2020: was uns in der Zukunft erwartet – neue branchenübergreifende Risiken

Das letzte Panel bot einen Ausblick auf das kommende Jahr und wurde in Anbetracht möglicher Chancen (IT Lösungen zur funktionalen Unterstützung von CMS) als auch möglicher Risiken (Cybercrime, KI-Geschäftsmodelle) durch die Panelistinnen und Panelisten unter der Moderation von Monika Gorgoń, beleuchtet. Piotr Welenc, GRC Director, Wolters Kluwer Polen, sieht die Zukunft für Compliance und CMS besonders in IT-Lösungen in Form von Blockchain und KI. Diese könnten nicht nur das Prozessmanagement eines CMS erleichtern, aber ebenso die Sicherheit und Glaubwürdigkeit der Maßnahmen fördern. Im Folgenden wies Dr. Kyrill Farbmann, European Complaince Director, McDonald’s, darauf hin, dass das Risiko neuartiger IT-Geschäftsmodelle in ihrem schnellen Wandel liege – die Gesetzgebung sei nicht im Stande rechtzeitig auf Trends aus der Privatwirtschaft reagieren zu können. Abschließend verwiesen Joanna Jurasz, Associate Partner bei Rödl & Partner, und Florian Donath, Associate bei Rödl & Partner, auf die zunehmende Durchführung von Risikoanalysen von Unternehmen durch externe Berater – Risikoanalysen durch objektive Dritte seien besonders vor dem Hintergrund der Komplexität globaler Trends und Risiken eine bewusst genutzte Maßnahme zur regelmäßigen Evaluierung des unternehmenseigenen CMS.

Fazit und Schlusswort

Dr. Bartosz Jagura, Instytut Compliance, schloss im Namen der Veranstalter die Tagung mit Dankesworten an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Mit dem Rückblick auf 10 Jahre des Deutsch-Polnischen Compliance Forums blicken wir nicht nur auf die Entwicklung von Compliance in Deutschland und Polen zurück, aber zugleich auf den Erfahrungsschatz eines Jahrzehntes des Austausches zwischen Vertretern der Privatwirtschaft, der Wissenschaft und öffentlichen Verwaltung. Darauf aufbauend freuen wir uns und hoffen ebenso in Rahmen zukünftiger Tagungen des Forums den Erfahrungs- und Meinungsaustausch noch weitreichender fördern zu können.

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